Im Januar 2020 durfte ich anlässlich einer Fortbildung der Schweizerischen Vereinigung für Transfusionsmedizin einen Vortrag zum Thema «Sicherheit von Blutprodukten» halten.
Zur Einführung erwähnte ich – in einem humorvoll gemeinten Nebensatz –, dass die WHO soeben ein in China aufgetretenes Coronavirus als globale Bedrohung eingestuft hatte. Keiner der zweihundert Teilnehmenden konnte zu dieser Zeit ahnen, wie ernst diese Sachlage tatsächlich war. Ich hätte diese scherzhaft gemeinte Nebenbemerkung niemals so gemacht, hätte ich nur im Geringsten eine Ahnung davon gehabt, wie dieses Coronavirus unsere gesamte Gesellschaft beeinflussen würde.
Wir Mitarbeitenden im Blutspendezentrum zählten uns trotz aller Schwierigkeiten zu den Privilegierten, weil wir alle noch einen einigermassen normalen Arbeitsalltag erleben durften. Sehr stark wurden wir im medizinischen Bereich gefordert. Es galt, die noch schwerer als üblich einschätzbare Blutversorgung aufrechtzuerhalten. Wir mussten sehr klar nach aussen kommunizieren und auf das Verständnis unserer SpenderInnen hoffen, wenn wir an manchen Tagen kurzfristig das Zentrum schliessen oder Equipen absagen mussten. Die Solidarität der SpenderInnen in dieser Zeit war ausserordentlich, die Leute wollten helfen. Dieser ausgeprägte Gemeinschaftssinn war für mich ein Highlight am Anfang dieses schwierigen Jahres.
Ein weiteres Highlight für mich waren die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Rekonvaleszentenplasma. Schon im Februar 2020 haben wir als eines der ersten europäischen Zentren zusammen mit der Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene des Unispitals Basel begonnen, von genesenen Covid-PatientInnen Blutplasma (das Antikörper gegen das Coronavirus enthält) zu entnehmen und an PatientInnen zu transfundieren, die an Covid-19 erkrankt waren. Unsere positive Erfahrung mit den ersten fünfzehn behandelten PatientInnen konnten wir an der Jahrestagung der American Society of Hematology, «Best of ASH Session», präsentieren.
Das Jahr 2020 wird uns allen noch sehr lange in Erinnerung bleiben. Einerseits wegen der einschneidenden Veränderungen unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens und andererseits wegen der beeindruckenden Solidarität der BlutspenderInnen und des ausserordentlichen Einsatzes unseres Personals. Grandios!
Prof. Dr. med. Andreas Buser
Chefarzt, Geschäftsführer
Die Ausnahmesituation der Pandemie verursachte der Gemeinschaft zusätzliche Aufwendungen. So war auch die Stiftung Blutspendezentrum SRK beider Basel von den plötzlichen Veränderungen stark betroffen. Krisensitzungen wurden einberufen, um kurzfristige Massnahmen einleiten zu können. Bereits im Frühling 2020 stellte das Blutspendezentrum auf virtuelle Meetings um. Sicherheitskonzepte und Kommunikationsstrategien wurden rasch erstellt und gefühlt im Tagesrhythmus den sich laufend ändernden Richtlinien des Bundes angepasst. Die Entscheidungsprozesse wurden für diese Ausnahmesituation einfach, unkompliziert und lösungsorientiert gestaltet. Ausserordentliche Anschaffungen von medizinischem Bedarf und Geräten wurden beantragt und im Eilverfahren abgesegnet und eingeführt. Die Solidarität in der Bevölkerung war gross, von uns unabhängige Aufrufe in den sozialen Medien haben zu einem hohen Spendenaufkommen geführt, was das Personal vor eine noch grössere Herausforderung stellte. Der Einhaltung der Hygienerichtlinien galt oberste Priorität: Das Tragen von Hygienemasken wurde obligatorisch, Mindestabstände wurden signalisiert, Plexiglastrennwände wurden beschafft, die Sitzanordnung in der Spendercafeteria wurde angepasst. MedizinstudentInnen wurden für Triage-Aufgaben rekrutiert, über die Website wurden laufend die aktuellsten Informationen und Änderungen in den Spendeabläufen kommuniziert.
Es hat sich als Segen erwiesen, dass wir bereits im Januar 2020 ein Online-Terminreservierungssystem eingeführt hatten. Dank der nun möglichen Steuerung der Besucherströme konnte die Situation für das Personal am Empfang und in der Entnahme beruhigt werden.
Die Pandemie hat uns alle sehr stark getroffen und in vielfältiger Weise gefordert. Aber sie hat uns auch neue Wege aufgezeigt. Unsere Abteilung Marketing und Kommunikation konnte während der Pandemie, zum Beispiel durch den im April 2020 neu geschaffenen InstagramAccount, den virtuellen Draht zu einer neuen Generation von SpenderInnen stärken. Wir ziehen somit auch eine positive Bilanz aus dem Corona-Jahr 2020.
Roberto Sperduto
Leiter Unternehmensentwicklung, Kommunikation, Finanzen und HR
Anfang 2020 sind wir alle von der Corona-Epidemie überrollt worden. War anfänglich unklar, ob es sich nur um eine besonders schwere Form der Grippe handelt, wurde bald deutlich, dass wir mit einer Epidemie konfrontiert sind von einem Ausmass, wie man dies in Europa seit der Pest nicht mehr erlebt hat.
Die kurzfristige Absage der Fasnacht war wohl für viele BaslerInnen ein grosser Schock und machte gleichzeitig auch das Ausmass der Problematik offensichtlich. Die notwendigen Sicherheitskonzepte mussten so rasch wie möglich ausgearbeitet und aufgebaut werden, um das Spenden von Blut aufrechterhalten zu können. Es war am Anfang der Pandemie auch unklar, ob sich überhaupt noch genügend SpenderInnen einfinden würden. Es zeigte sich dann bald eine grosse Solidarität in der Bevölkerung, und die Sorgen waren unberechtigt: Die Blutversorgung in der Nordwestschweiz war zu jedem Zeitpunkt gewährleistet.
Im Namen des Stiftungsrats spreche ich an dieser Stelle einen grossen Dank an alle MitarbeiterInnen des Blutspendezentrums aus, für ihren ausserordentlich engagierten Einsatz in einem über alle Massen anstrengenden Jahr.
Ich hoffe, dass möglichst wenige MitarbeiterInnen und ihre Familien direkt von Covid19 betroffen sind!
Prof. Dr. med. Christian Ludwig
Präsident Stiftungsrat
2018 | 2019 | 2020 | |
---|---|---|---|
Anzahl Entnahmen | 14 799 | 16 300 |
16 600 |
Anzahl Equipen | 119 | 151 |
129 |
Entnahmen auf Equipen | 7 346 | 8 616 |
7 668 |
Aktive SpenderInnen (inkl. Abgewiesene) | 9 488 | 12 015 |
13 738 |
Davon ErstspenderInnen (inkl. Abgewiesene) | 2 488 | 3 405 |
3 379 |
Anzahl abgewiesene SpenderInnen | 1 982 | 1 948 |
1 940 |
Anzahl Spenden pro SpenderInnen | 1,6 | 1,57 |
1,21 |
Durchschnittsalter SpenderIn | 44,1 Jahre | 40 Jahre |
38 Jahre |
Durchschnittsalter NeuspenderIn | 31,5 Jahre | 31 Jahre |
31 Jahre |
2019 | 2020 | |
---|---|---|
SpenderInnen | 117 105 | 118 295 |
PatientInnen | 195 954 | 194 187 |
Familie | Fremd | |
---|---|---|
Blutstammzellen | 45 | 25 |
Knochenmark | 13 | 2 |
(Studien-Apheresen sind nicht berücksichtigt.)
2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
---|---|---|---|---|---|
15 013
|
14 733 | 15 683 | 14 799 | 16 300 | 16 600 |
Produkteverbrauch | 2019 | 2020 | ||
---|---|---|---|---|
Anzahl | Anteil in % | Anzahl | Anteil in % | |
Total Erythrozytenkonzentrate | 19 974 | 18 795 |
||
Eigene Erythrozytenkonzentrate | 13 856 | 69,37 | 13 242 | 70,45 |
Zugekaufte Erythrozytenkonzentrate | 6 118 | 30,63 | 5 553 | 29,55 |
Total Thrombozytenkonzentrate | 6 050 | 6 103 | ||
Eigene Thrombozytenkonzentrate | 4 971 | 82,17 | 4 883 | 80,00 |
Zugekaufte Thrombozytenkonzentrate | 1 079 | 17,83 | 1 220 | 20,00 |
Spital (in %) | 2019 | 2020 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
EK total (nicht bestrahlt und bestrahlt) |
Frisch gefrorenes Plasma |
TK (pathogen-inaktiviert) |
EK total (nicht bestrahlt und bestrahlt) |
Frisch gefrorenes Plasma |
TK (pathogen-inaktiviert) |
|
Universitätsspital Basel | 60,99 | 94,51 | 89,85 | 60,79 | 94,72 | 85,83 |
Universitäts-Kinderspital beider Basel | 2,08 | 1,03 | 3,70 | 2,44 | 0,74 | 6,31 |
Kantonsspital BL | 13,70 | 2,96 | 1,01 | 12,03 | 1,53 | 2,31 |
St. Claraspital | 9,19 | 0,60 | 2,25 | 10,36 | 2,14 | 3,10 |
Diverse Lieferadressen | 14,04 | 0,90 | 3,19 | 14,38 | 0,87 | 2,45 |
Ausnahmslos alle MitarbeiterInnen tragen ständig eine Hygienemaske und waschen sich die Hände so oft wie möglich. Bei Erkältungssymptomen geht man sofort nach Hause.
PlexiglasSpuckschutz. Die Tischoberflächen werden nach jedem Spenderkontakt desinfiziert. Am Eingang steht eine kontaktlose Desinfektionsflasche für die SpenderInnen. Maskenpflicht auch für SpenderInnen.
Die Liegen, Kopflehnen, Armlehnen und Steuerungsgeräte werden nach jeder Spende desinfiziert. Stressbälle werden nur noch wenn nötig abgegeben und nach jedem Gebrauch desinfiziert. Nach zehn Anwendungen werden sie entsorgt. Es werden nur noch Einwegstauschläuche benutzt.
PlexiglasSpuckschutz bei den Esswaren. Die Tische werden auseinandergestellt. Nur noch zwei Stühle pro Tisch. Die Tische werden nach jedem Kontakt desinfiziert. Die MitarbeiterInnen tragen zusätzlich zur Gesichtsmaske Handschuhe. Sämtliche Zeitschriften werden entfernt.
Die Idee kam Dr. Andreas Holbro, Arzt am Blutspendezentrum beider Basel, bereits im Februar 2020, als sich abzuzeichnen begann, was da auf die Welt und die Schweiz zukommt. Er vertiefte die Idee mit seinen KollegInnen im Blutspendezentrum und mit Prof. Dr. Manuel Battegay, Chefarzt am Universitätsspital Basel.
Die Idee im Wesentlichen: Antikörper gegen Sars-CoV-2 werden während einer Infektion mit dem Coronavirus auf natürliche Weise vom Immunsystem gebildet. Rekonvaleszenzplasma, also Plasma von SpenderInnen, die Sars-CoV-2-Antikörper haben, wird an schwer erkrankte Covid-19-PatientInnen verabreicht, in der Hoffnung, dass die Antikörper im transfundierten Plasma im Körper wirken, sich vermehren und somit die Genesung beschleunigen und eine Todesfolge bei den am schlimmsten betroffenen Covid-19-PatientInnen verhindern.
Die Zeit war äusserst knapp, das Virus war auf dem Vormarsch. Keiner wusste zu diesem Zeitpunkt, ob die Idee funktionieren würde. Weltweit gab es keinerlei Informationen und Fakten zu Covid-19.
Die im Projekt involvierten KollegInnen haben mit einem enormen Kraftakt und viel Enthusiasmus diskutiert, nachgedacht, verworfen und definiert. In kürzester Zeit und unter enormem Zeitdruck wurden neue Prozesse definiert und eingeführt, eine hoch spezialisierte Plasmapherese-Maschine beschafft, Personal geschult und entsprechende Prozesse eingeführt.
Bereits im April 2020 konnte am BSZ und im Universitätsspital Basel die erste Covid-19-Plasmaspende durchgeführt werden. Dieser Prozess war in der Schweiz damals einzigartig, und auch europaweit stand man noch komplett am Anfang. Prof. Andreas Buser, Chefarzt am BSZ, sagt: «Wir wussten damals noch nicht, welche PatientInnen wir behandeln sollen, und haben das Plasma in einem relativ späten Krankheitsverlauf eingesetzt. Mittlerweile wissen wir, dass das Plasma den PatientInnen am meisten hilft, wenn es bis drei Tage nach der Ansteckung transfundiert wird. Was unseren Prozess zu diesem Zeitpunkt in Europa einzigartig machte, war die Pathogeninaktivierung, um das Plasma sicherer zu machen. Wir konnten dies tun, weil wir am Blutspendezentrum beider Basel bereits grosse Erfahrung mit diesem besonderen Verfahren haben.»
PD Dr. Andreas Holbro, der Initiator der Plasma-Erfolgsgeschichte, hat nach einer Infektion mit dem Coronavirus selbst Plasma gespendet.
Eine der Schwierigkeiten im Frühjahr 2020 war, dass es in diesem Stadium so gut wie keine Tests gab, um Antikörper gegen das Coronavirus im Blut nachzuweisen. Es hat sich als grosses Glück erwiesen, dass das BSZ mit dem Unispital Basel, speziell mit der Abteilung für Infektiologie, dem Institut für Virologie und Immunologie der Universität Bern, dem Department of Physiology and Biophysics, School of Medicine, University of California und dem Vitalant Research Institute in San Francisco zusammenarbeiten konnte. Dank dieser hervorragenden Kooperation war es schon bald möglich, die gespendeten Plasmen auf Antikörper zu testen.
Dank einer parallel laufenden Studie konnten wir erkennen, dass eine gewisse Anzahl PatientInnen möglicherweise insofern davon profitiert hat, als sie weniger lang im Spital sein mussten. Auf die Mortalität hatte die Plasmatherapie keinen Einfluss. Wir können trotzdem von einem Erfolg sprechen, denn die Tatsache ist grossartig, dass wir innerhalb kurzer Zeit in einer gemeinsamen Kollaboration mit verschiedenen Institutionen ein potenziell therapeutisches Prinzip aufgebaut haben, von dem weltweit niemand wissen konnte, ob es etwas nützen würde oder nicht.
Was wir unterdessen mit Sicherheit wissen, ist, dass wir mit dem Coronavirus infizierten KrebspatientInnen enorm helfen können. Diese müssen aufgrund ihrer Krebserkrankung Medikamente einnehmen, die die Bildung von Lymphozyten hemmen, und können deshalb selbst keine Antikörper bilden. Mittlerweile wird diese Plasmatherapie weltweit bei an Covid-19 erkrankten KrebspatientInnen eingesetzt.Das Projekt wäre unter diesem enormen Zeitdruck und dem anfänglichen kompletten Fehlen an Wissen nicht möglich gewesen ohne die grossartige und beherzte Zusammenarbeit zwischen dem Blutspendezentrum beider Basel, dem Universitätsspital Basel, Blutspende Schweiz, der Glückskette und dem Schweizerischen Roten Kreuz. Ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten.
Ein grosser Dank geht auch an die mittlerweile rund 120 Menschen, die sich bei uns für eine Plasmaspende gemeldet haben. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität dieser Menschen hat uns alle überwältigt.
Analysis of SARS-CoV-2 antibodies in COVID-19 convalescent blood using a coronavirus antigen microarray
Rafael R de Assis, Aarti Jain, Rie Nakajima, Algis Jasinskas , Jiin Felgner, Joshua M Obiero, Philip J Norris , Mars Stone, Graham Simmons, Anil Bagri, Johannes Irsch, Martin Schreiber, Andreas Buser, Andreas Holbro, Manuel Battegay, Philip Hosimer, Charles Noesen, Oluwasanmi Adenaiye, Sheldon Tai, Filbert Hong , Donald K Milton, D Huw Davies , Paul Contestable , Laurence M Corash, Michael P Busch, Philip L Felgner, Saahir Khan
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